Evangelischer Arbeitskreis Sachsen-Anhalt

Erklärung des EAK-Sachsen-Anhalt zur EKD-Orientierungshilfe „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit – Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken“

Der EAK-Landesvorstand hat am 9. September nachfolgende Erklärung beschlossen. Diese Erklärung ist auch in die zugehörige Dokumentation der EKD aufgenommen worden.
Erklärung des EAK-Sachsen-Anhalt zur EKD-Orientierungshilfe
„Zwischen Autonomie und Angewiesenheit –
Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken“
 
Zur EKD-Schrift „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit – Familie als verlässliche
Gemeinschaft stärken“ erklärt der Vorstand des Evangelischen Arbeitskreises der CDU Sachsen-Anhalt (EAK):
 
„Die EKD-Orientierungshilfe für Familien hat in den letzten Wochen eine intensive und kontroverse Debatte entfacht. Das Papier hat dabei sowohl Lob als auch grundsätzliche Kritik erfahren. Dies zeigt zunächst, wie wichtig und bedeutsam das Thema „Familie“ für viele evangelische Christen in Deutschland ist. Wir begrüßen, dass nun in breiter Öffentlichkeit über Traditionen und Veränderungen in unserer Gesellschaft diskutiert wird.
 
Viele, die sich von der Evangelischen Kirche Orientierung wünschen, werden jedoch von der „Orientierungshilfe“ ratlos, ja enttäuscht sein. Ein klar definiertes und positiv benanntes Leitbild ist nur schwer auszumachen. Lediglich äußerst vage Formulierungen und unklare Begriffe, wie „Verantwortlichkeit“ oder „an Gerechtigkeit orientiert“, skizzieren einen Familienbegriff, der von der tatsächlichen Lebensrealität der meisten deutschen Familien weit entfernt zu sein scheint. Es stellt sich daher die Frage, warum sich die Evangelische Kirche trotz ihrer großen Tradition und ihrer breiten gesellschaftlichen Verankerung und Verantwortung scheut, ein klares Familienbild zu bekennen. Viele evangelische Christen mit ihren Familien werden enttäuscht sein, dass sie von ihrer Kirche so wenig Stärkung und Bestätigung ihres täglichen Lebens, bei der Erziehung der Kinder und der wirtschaftlichen Absicherung der Familie, erfahren. Vielmehr müssen sie sich von ihrer Kirche anhören, dass sie einem veralteten und unmodernen Familienbild anhängen.
 
Was hat sich in den letzten Jahren so entscheidend verändert, dass die EKD als „Orientierung“ nur noch die Kraft hat, als soziologischen Befund zu vermerken, dass es heute vielfältige Formen des Zusammenlebens von Menschen gibt, in denen Verantwortung füreinander übernommen wird? Hierunter fallen alle Gemeinschaften, die dem erweiterten Familienbegriff des Bundesverfassungsgerichtes entsprechen, hierunter fallen aber auch weitere Lebensgemeinschaften. In einer über viele Jahrhunderte entwickelten Tradition haben sich die christlichen Kirchen für ein Leitbild von Ehe und Familie entschieden, das für diese „Orientierungshilfe“ nur noch ein Lebensmodell unter vielen möglichen ist, die gleichberechtigt nebeneinander stehen. Für ein Bild, das leitend anstrebt, dass Ehemann, Ehefrau und Kinder ein Leben lang Verantwortung füreinander übernehmen, ist da kein Platz mehr. Es stellt sich deshalb zu Recht die Frage, wo der reformatorische Ruf „ad fontes“ – „zurück zu den Quellen“ – zu hören ist, da man Zitate aus der Bibel in manchen Kapiteln vergeblich sucht. Sollen stattdessen die zahlreichen soziologischen Studien als neues „Schriftprinzip“ dienen? Weiterhin verwundert es stark, wie unwissenschaftlich mit der Heiligen Schrift und dem protestantischen Erbe umgegangen wird. Die Umdeutung des jesuanischen Scheidungsverbotes (Mk 10,1-12) und die Verklärung Luthers, der die Ehe lediglich in Abgrenzung zum katholischen Sakramentsverständnis als „weltlich Ding“ bezeichnete, sind dabei nur die Spitze des Eisberges.
 
Es hätte übrigens in der Vergangenheit der Gesetzgeber die Möglichkeit gehabt und hat sie bis heute, für andere Vertrauensgemeinschaften als die Ehe, speziell angepasste Schutzziele zu definieren und umzusetzen. Dann hätte es keinen der Privilegierung der Ehe mit anderen Lebensgemeinschaften abträglichen Weg der schrittweisen Gleichstellung mit ihr gegeben. Aber die EKD hat den Gesetzgeber zu diesem Weg nie ermuntert.
 
Positiv ist an der Schrift ist zu vermerken, dass umfangreich und hilfreich analysiert wird, wo familienunterstützende Maßnahmen bisher ihr Ziel erreicht und wo sie ihr Ziel verfehlt haben. Parteien und Sozialverbände und auch die Kirchen bis hin zu den sie tragenden Gemeinden können aus diesen Ausführungen Handlungsaufträge für sich erkennen. Aber die wieder einmal vorgetragene Polemik gegen ein angeblich diskriminierendes Ehegattensplitting und die  Forderung nach Abschaffung des Betreuungsgeldes zeigen die Ideologielastigkeit auch dieser Abschnitte.
 
Abschließend bleibt deshalb die Frage stehen, was überhaupt christlich an der Orientierungshilfe ist. Strukturell ähnelt sie mehr einer beschreibenden Bestandsaufnahme aus einer bestimmten soziologischen Perspektive. Auch inhaltlich ist wenig Christliches zu entdecken. Von einem fürsorglichen und von Liebe erfüllten und getragen Familienleben, das Selbsthingabe und Aufopferung im Dienst der Familie einschließt, ist kaum etwas zu spüren. Das christliche Ideal der bedingungslosen Nächstenliebe, das das eigene Ich hinten an stellt (Lk 10,25-37), findet keinerlei Würdigung. Groß ist deshalb die Enttäuschung und die Verwunderung gerade bei jenen Menschen, die zu Gunsten ihrer Kinder persönliche Opfer bringen. Gerade bei der Generationen, die durch die schrecklichen Krisen des letzten Jahrhunderts geprägt ist, standen die Bedürfnisse der eigenen Familie oft über den individuellen Wünschen eines jeden Einzelnen. Dass Familienleben nicht nur am Begriff der Gerechtigkeit orientiert werden kann, sondern dass Familie ebenso auch die persönliche Opferbereitschaft eines jeden Familienmitgliedes einschließt, gehört zum Fundament einer jeden gelungenen Familie. Um dieses Bewusstsein auch gerade bei jungen Menschen zu stärken, ist in der EKD-Orientierungshilfe leider kein Platz.
Das EKD-Papier „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit – Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken“ ist keine Hilfe und keine Orientierung. Die Diskussionen der letzten Woche zeigen zudem, dass es zu sehr beschwerlichen Diskussionen innerhalb der EKD-Gliedkirchen führt, von vielen evangelischen Gemeindegliedern nur mit Kopfschütteln kommentiert wird, und dass es das Gespräch innerhalb der Ökumene enorm beschwert.“
 
Beschlossen auf der EAK-Landesvorstandssitzung am 09.09.2013